2. Februar 2022

Schon einmal dran gedacht? Sprachkenntnisse als Einflussfaktor für Preise im Tourismus.

Was haben denn Sprachkenntnisse mit Reisepreisen zu tun? Und was soll das nun mit Nachhaltigkeit zu tun haben?

Um ein paar Aspekte dazu wird es in diesem Beitrag gehen.

Geiz ist geil! – Auch bei touristischen Leistungen?

Wer „darf“ denn hier geizig sein? Der Gast? Bei gleichzeitig hohen Ansprüchen?

Oder etwa der Gastgeber? Bei der Bemessung seiner Leistung zum gebotenen Preis?

Eine Diskussion ohne Ende, die sich irgendwo zwischen (vermeintlich?) transparenten Preisen und empfundener Willkür bewegt. Und die immer wieder für viel Unmut sorgt.

Hier begegnen sich Kulturen – und  kollidieren oft dabei

Doch was steckt dahinter?

Preise basieren auf verschiedenen Wertehintergründen, die sich teilweise über lange Zeiträume hinweg entwickelt haben.

Wie viel ist eine Arbeitsstunde zur (Roh)Produktherstellung wert? Wie viel sind Rohstoffe wert? Wie viel die Anlagen, mit deren Hilfe produziert wird? Und in diesen Anlagen wiederum die darinsteckenden Rohstoffe und Arbeitsstunden zu ihrer Herstellung.

Diese Preise werden einem Endanbieter normalerweise vorgegeben. Und im Moment auch akzeptiert.

Hier geht es allerdings um das Folgende:

Der eigene Preis des Leistungsanbieters gegenüber dem Kunden.

In diesem Bereich der Preisgestaltung kann der Endanbieter direkt Einfluss nehmen: der eigene Betriebsaufwand, der eigene Arbeitslohn, der Unternehmerlohn, die Marge für Rückstellungen und das, was als Gewinn im engeren Sinn bezeichnet wird, also den „Honig auf’s Brot“.

(Erläuterung an dieser Stelle für Nicht-Unternehmer: ja, klar, davon kauft sich der Unternehmer seinen Ferrari und seine Finca auf Mallorca! Und wenn er … sagen wir: wegen einer Pandemie … über ein Jahr lang auf Umsatz verzichten muss, vertickt er die schneller als Angestellte ihren nächsten Monatslohn bekommen.)

Da, bei dieser Margenkalkulation spielen dann durchaus auch individuelle Werte und Überlegungen eine entscheidende Rolle. Aber nicht nur …

Im Tourismus kennen wir hierzu ein spezielles Phänomen:

Regionen, in denen zwischen Anbietern und verschiedenen (End-)Kunden weitgehend standardisierte Preise gelten und andere Regionen wiederum, in denen Preise einzeln verhandelt werden.

Die Übergänge sind fliessend

Einkaufspreise von Reiseveranstaltern und Reisevermittlern für etwa Hotelzimmer sind ganz andere als für den Endkunden, der das Zimmer selber bewohnt. Einkäuferpreise gegenüber Endkundenpreisen eben.

Durch das so genannte Yield-Management kennen aber auch Einzelkunden mittlerweile erhebliche Preisunterschiede für identische Leistungen, etwa bei Flugpreisen:
Wer für den 15. Juli einen Flug von Düsseldorf nach Sardinien bucht, muss erheblich mehr bezahlen als derjenige Reisende, der den identischen Flug für den 23. Januar bucht.
Und wer sechs oder acht Wochen vor der Reise bucht, wird wiederum andere Preise bezahlen als Kunden, die 4 Tage vor Abflug buchen.

Diese Preisbildung ist inzwischen allgemein bekannt und auch akzeptiert. Wohl oder übel in vielen Fällen.

Interessanter wird es bei Preisverhandlungen in den Destinationen:

Wieviel kostet mich eine GuaGua-Fahrt (im Sammelbus) von A nach B? Muss ich als Europäer mehr bezahlen als ein einheimischer Thailänder für die gleich Strecke bezahlt? Oder als ein Thailänder aus einer anderen Landesregion? Und wenn ja: warum? Oder bezahle ich für 5 Bananen auf dem Markt den gleichen Preis wie ein Einheimischer?
Oft eben nicht.

Diskriminierung!

Wirklich?

Ich war vor einiger Zeit in einem karibischen Land, erstmals dort und brauchte dort etwa eine knappe Woche, bis ich die Preisstrukturen verstanden hatte. Ich meine nicht nur erkannt, sondern einigermassen umfassend verstanden.

So kostete etwa ein MotoGuaGua in einer Stadt unabhängig von der Fahrstrecke und Fahrtdauer 50 Pesos (ca. 0.75 EUR). Im kürzesten Fall liess ich mich dafür ca. 700 Meter weit mitnehmen, im längsten Fall bestimmt 3 km mit Zwischenhalten und fast 15 Minuten Dauer. Und zudem recht spät abends, der Fahrer fuhr gut und war sehr hilfreich und freundlich.
Und die Preise waren nicht einzeln verhandelt. (Klar: dem Fahrer spätabends habe ich etwas aufgerundet.)

Im Einzelfall ist das überschaubares Geld. Für flinke Fahrer, die oft keinen Beruf gelernt haben, kommt ausserdem auf diese Weise ein respektabler Umsatz zusammen.

Zum anderen – so habe ich später erfahren – können viele MotoGuaGua-Fahrer nicht wirklich rechnen. Mit relativen Wegberechnungen wären die meisten von ihnen schlicht überfordert.

Insofern: Einheitspreis, in einem Land, in dem sonst reichlich Preiswillkür herrscht. Aus der Not wird ein örtliches System gemacht.

Anders etwa bei Taxis: Der Ratschlag, den Preis vor Fahrtantritt auszuhandeln, ist dort sehr sinnvoll. Ich habe selber die Erfahrung gemacht, dass ich auf aufgrund meines Aussehens im ersten Moment einen Preis angeboten bekam und nach einigem Wortwechsel (in nicht fehlerfreiem aber halbwegs flüssigem Spanisch) der Preis erheblich sank. Und zwar auf den Preis, den ich von Einheimischen als Referenz kannte, in einem Fall sogar darunter. (Der Fahrer vermutete einen lukrativen längeren Anschlussauftrag.)

Ist das Preis-Willkür?

Ich wollte dazu in vielen Gesprächen mit Reisenden ihre Meinung hören: von Pauschalreisenden bis hin zu erfahrenen Weltenbummlern. Und so unterschiedlich die Reiseerfahrungen sind, so unterschiedlich die Beurteilung:

„Klar! Das sind doch vollkommen logische Preisargumente: Wer das Land kennt, bezahlt weniger. Wer die Sprache kann, eben auch.“ „Insider-Vorteile!“ würde da der europäische Staatsanwalt rufen.
Und genau so urteilten andere Reisende: „Das sind Halsabschneider, nur weil wir weisse Europäer sind, halten sie uns für reich und zocken uns ab!“

Zwei diametrale Positionen für ein und das selbe Preisverhalten.

Wer hat Recht?

Drei verschiedene Preise – klar definiert

Ist das nicht ganz einfach eine Variante von Yield Management? Bestimmte Variablen fliessen preisbestimmend mit ein.

Eine Tourismus-Studierende stellte kürzlich im Seminar nüchtern das Beispiel Mexico vor, das sie selber von einem längeren Aufenthalt kennt: „Doch klar: drei Preise: für fremdsprachige Touristen, für Touristen, die Spanisch sprechen und für Mexikaner.“
Mehr Transparenz könnte man sich eigentlich nicht mehr wünschen. Wo ist also das Problem?

Vor einiger Zeit wurde ich von Freunden zu einem Land befragt, das sie individuell mit Auto bereisen wollen. Zum Sicherheitsaspekt konnte ich sie weitgehend entwarnen. Bis auf das „etwas andere Fahrverhalten der Verkehrsteilnehmer“ als in Deutschland.
Hinsichtlich Sprachkenntnisse äusserte ich klar, dass sie mit etwa 20 bis 50% höheren Preisen rechnen müssten ohne Kenntnisse der Landessprache – und dass Englisch abseits der Städte und Touristenzentren von sehr wenigen Bewohnern halbwegs brauchbar verstanden werde. Sie waren etwas irritiert, zumal reiseerfahren.

Jedoch: Ohne Sprachkenntnisse ist es schwieriger, abseits grösserer Touristenströme und offline schnell die regionalen Preisstrukturen zu erkennen und zu verstehen. Und das kostet den Reisenden Geld.

… da liegt der Knochen vergraben:

Sprachen sind Türöffner erster Güte. Und erfahrungsgemäss müssen diese Kenntnisse nicht perfekt sein. Es reicht meistens, ein paar Sätze oder sogar Satzfragmente verständlich austauschen und auf Äusserungen halbwegs sinnvoll reagieren zu können. Und einiges vom Themenzusammenhang mitzubekommen. Man nennt das kontextuelles Sprachverständnis.

Sprachkenntnis signalisiert zudem Interesse und Respekt für die Kultur der Einwohner. Und das kommt fast in allen Ländern dieser Welt sehr gut an.

Vielleicht könnten wir uns einfach mehr Zeit nehmen und uns auf eine Reisedestination eingehender vorbereiten. Dazu gehört mehr als die hipsten Strände zu erforschen oder die angesagtesten Bars per Social Media herauszufinden.

Auch in der Art, die Sprache in Grundzügen zu lernen besteht eine sinnvolle Vorbereitung.

Spätestens wenn es um Preise geht, wird sich sprachliche Agilität vor Ort vielleicht sehr deutlich auszahlen.


Und in diesem Punkt können wir dann durchaus von sozio-kultureller und – für den Reisenden – wirtschaftlicher Nachhaltigkeit sprechen.
Das sind die beiden weiteren Pfeiler einer tragfähigen Nachhaltigkeit – zusammen mit der ökologischen Nachhaltigkeit.

Buen viaje!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Consent Management Platform von Real Cookie Banner